Press Release

Bestandsprovisionen im Wertpapiergeschäft – lange angezählt, aber bald verboten?

Das drohende Verbot von Bestandsprovisionen in der Anlageberatung – ein Thema, dem Banken schon länger sorgenvoll entgegenblicken. Max Biesenbach und Simon Grabbe von der globalen Strategie- und Marketingberatung Simon-Kucher & Partners erläutern, wie eine sinnvolle Lösung aussehen kann:

Köln – Bestandsprovisionen sind wiederkehrende, volumenbasierte Rückvergütungen von Fondsgesellschaften an Banken, die für das Halten der Fonds im Portfolio der Kunden bezahlt werden. Diese Bestandsprovisionen machen bei Großbanken und Regionalbanken in Deutschland und Österreich je nach Institut zwischen 25 und 50 Prozent der Gesamterträge im Wertpapiergeschäft aus. Mit der Einführung von MiFID II im Jahr 2018 erhöhte der europäische Regulator ESMA erstmals den Druck auf dieses für Retailanleger bis dato relativ intransparente Vergütungsmodell. Damit wurde der Einbehalt von Bestandsprovisionen in der Vermögensverwaltung, bei der der Anleger die Anlageentscheidungen vollständig an die Bank delegiert, verboten. Zudem hatte dies eine Verschärfung der Bedingungen zufolge, unter denen diese Provisionen weiterhin in der Anlageberatung fließen dürfen, bei welcher der Anleger die finale Anlageentscheidung mit Unterstützung der Bank trifft.

Es zeichnet sich ab, dass in den nächsten drei bis fünf Jahren eine erneute deutliche Verschärfung der Rahmenbedingungen droht, die dann zum vollständigen Wegfall von Einnahmen aus Bestandsprovisionen in der Anlageberatung führen dürfte (Stichwort: MiFID III). Erste Vorreiter-Banken haben sich bereits vollständig von der Vereinnahmung von Bestandsprovisionen gelöst (in Österreich in weiten Teilen beispielsweise die Raiffeisenlandesbank Niederösterreich-Wien) oder zumindest erste bestandsprovisionsfreie Angebote aufgebaut (beispielsweise die Union Investment mit dem Depot Komfort für den Volksbanken-Sektor).

Doch nicht nur der Regulator drängt die hiesigen Banken zum Handeln. Auch Kunden stellen zunehmend klare Anforderungen an Transparenz und Fairness in der Preisgestaltung. Zusätzlich streben sowohl in Liechtenstein als auch in Österreich erste Anwälte nun Sammelklagen gegen Großbanken an, um die Bestandsprovisionen, die die Banken in den letzten 30 Jahren einbehalten haben, für Kunden zurückzufordern.

Klar ist: Banken müssen mittelfristig die Umstellung von Bestandsprovisionen auf sichtbare Gebühren schaffen, um künftige Erträge zu sichern und schwebende rechtliche Risiken (beispielsweise einer Nachforderung vergangener Einbehalte) einzudämmen. Andernfalls droht besonders jenen Banken, die heute einen starken Vertriebsfokus auf das Fondsgeschäft legen, der Wegfall eines Großteils ihrer aktuellen Erträge. Doch wie kann eine sinnvolle Lösung aussehen, ohne Kunden zu verärgern oder sogar an die Konkurrenz zu verlieren? Die Erfolgsfaktoren lauten:

Aufbau einer nach Kundenbedürfnissen differenzierten Angebotslandschaft: Beratene Kunden zeigen heterogene Bedürfnisse nach Beratungsfrequenz, unterschiedliche Transaktionsaktivität, unterschiedliche Kenntnisse und Erfahrung sowie unterschiedliche Bereitschaft zum Eingehen von finanziellen Risiken. Diese unterschiedlichen Kundenbedürfnisse können nicht über ein und dasselbe Angebots- und Preismodell bedient werden.

Umsetzungs-Exzellenz: Eine kundenindividuelle Migrationsstrategie für den Bestand, einschließlich durchdachter Sonderkonditionen für Härtefälle, vor allem für das Segment Affluent/Private Banking, ist wichtig. Auch Mitarbeiterschulungen sind unerlässlich, um die neue Strategie in Angebot und Preisgestaltung verkaufen zu können.

Interne und externe Kommunikation: Es bedarf zusätzlich gezielter Marketingmaßnahmen, die Transparenz und Kundenfokussierung in den Vordergrund stellen und das neue Preismodell in den direkten Bezug zu den Werten der Bank stellen, damit der Wechsel erfolgreich gelingt.

Was passieren kann, wenn Banken sich nicht proaktiv auf einen regulatorischen Paukenschlag vorbereiten, wird durch den Blick nach Großbritannien deutlich: Als im Jahr 2012 der Retail Distribution Review (RDR = das britische Pendant zum EU-Bestandsprovisionsverbot) schlagend wurde, verloren die Großbanken über Nacht einen Großteil ihrer Erträge und trennten sich in der Folge von vielen vermeintlich unprofitablen Kleinanlegern. Diese haben inzwischen zu großen Teilen bei Online-Brokern ein neues Zuhause gefunden.

Simon-Kucher & Partners, Strategy & Marketing Consultants: Simon-Kucher ist eine globale Unternehmensberatung mit über 2.000 Mitarbeitenden in 27 Ländern weltweit, die Umsatzsteigerungen und Wachstum für ihre Kunden erzielt, indem sie deren Pricing-, Sales- und Marketingstrategien optimiert – langfristig und nachhaltig. Mit über 35 Jahren Erfahrung in Monetarisierung und Pricing beraten Simon-Kucher Expertenteams weltweit Unternehmen aller Art und aus den unterschiedlichsten Branchen.

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