Gerade die letzten zwei Jahre haben wie im Brennglas die Herausforderungen im Firmenkundengeschäft offenbart. Während im Aktivgeschäft das verbleibende Geschäft oft mit geringen Margen „eingekauft“ wurde, wurden gleichzeitig im Passivgeschäft harte Verhandlungen geführt, um Einlagen zu sichern. Anstatt ihr Geschäft proaktiv zu gestalten und langfristiges Wachstum zu fördern, befanden sich viele Banken zu oft in der Defensive. Wir zeigen Ihnen in einem kompakten Überblick auf, wie Sie mit zehn Wachstumsinitiativen im Firmenkundengeschäft Ihre Erträge steigern und sich langfristigen Erfolg sichern können.
Das Firmenkundengeschäft zeichnet sich durch differenzierte Kundenbedürfnisse aus. Dabei gehen die Bedürfnisse oftmals weit über den Finanzierungsbedarf hinaus. Zu häufig sehen sich Firmenkundenberater primär als Kreditspezialisten. Gleichzeitig wird der vermeintliche Bedarf an Individualität genutzt, um sich einen maximalen Gestaltungsspielraum zu sichern, was häufig in einem Wildwuchs an Preisen und Produkten mündet. Auch in den Prozessen ist häufig eher ein „Manufakturbetrieb“ am Werk als ein systematisiertes Vorgehen. Zwar ist dieses Vorgehen in gewissem Rahmen sinnvoll, doch ist es gleichzeitig ein Hemmnis für systematisches Wachstum. Mit einem strukturierten Umlegen der relevanten Wachstumshebel kann eine Grundlage geschaffen werden, die Wachstum vorantreibt und die Individualisierung des Geschäfts als strategisches Werkzeug begreift.
1. Zahlungsverkehr als Wachstumsplattform
Der Zahlungsverkehr ist ein zentraler Angelpunkt der Kundenbeziehung und gleichzeitig ein relevanter Ertragstreiber. Zentrale Erfolgsfaktoren sind die Anreize zur Intensivierung der Kundenbeziehung und zur ganzheitlichen Abdeckung aller Bereiche des Zahlungsverkehrs (z. B. Transaktionen, Bargeld, Terminals, Software und Liquiditätsmanagement). Indem Vorteile geschaffen werden für die Bündelung von Transaktionen bei der eigenen Bank (z. B. mengenbezogene Preisdifferenzierung im Sinne einer BahnCard-Logik mit günstigeren Buchungspreisen im Tausch für einen höheren Grundpreis), Vorteile für die Nutzung der eigenen Terminals, der eigenen Software und eCommerce-Lösung gegenüber Fremdlösungen oder Vorteile für eine Reduktion des Barverkehrs, gelingt systematisch eine tiefere Durchdringung (Share-of-Wallet-Anteil), ausgelöst durch einen „Pull“ beim Kunden anstelle eines „Push“ des Beraters.
Vor dem Hintergrund der steigenden Bedeutung des Umlaufvermögens in den Bilanzen vieler Kunden empfiehlt sich der Ausbau des Liquiditätsmanagements zu einem Beratungsansatz, der gezielt Themen der Finanzierungsstruktur adressiert und automatisch KK-Linien, Leasing, Factoring, AZV etc. mit ins Spiel bringt. Dabei sei zu erwähnen, dass eine durchgängig mit Bereitstellungsprovision versehene KK-Linie offensiver und aktiver vertrieben werden kann, da zusätzliche Kreditlinien auch zusätzlichen Ertrag bringen. Somit liegt in diesem Bereich auch ein direktes Ertragspotenzial, das sich systematisch heben lässt.
2. Systematisches Cross-Selling im Breitengeschäft
Gerade im gewerblichen Bereich greift die 80/20-Regel, d.h. mit wenigen Kunden wird viel Geschäft gemacht, während andere Kundengruppen in der Betreuung oftmals übersehen werden. Um diesen Teil des Geschäfts systematisch zu bearbeiten, können Erfolgsmodelle aus dem Privatkundenbereich in den gewerblichen Bereich übertragen werden – in adaptierter Form. Ein Hausbankansatz „light“ adressiert die wichtigen Kundenbedürfnisse und ermöglicht die gezielte Bearbeitung „über die Finanzierungen“ hinaus.
Gleichzeitig wird so der Pricing-Instrumentenkasten um das wichtige Werkzeug der Differenzierung erweitert, das die Überschreitung von Preisschwellen erleichtert – z. B. bei Geschäftskonten wie auch bei der Bereitstellung. Die digitale Hausbankplattform vereinfacht zugleich den Vertrieb, indem gezielt datenbasierte Impulse gesetzt und mit verhaltensökonomischen Anreizen kombiniert werden, sodass auch hier ein „Wachstums-Pull“ entsteht.
3. Gezielte Durchdringung im Individualgeschäft
Grundlage der intensiveren Durchdringung im Firmenkundenbereich über die reine Finanzierung hinaus ist ein kundenzentrierter, am Gesamtkundenwert orientierter Beratungsansatz. Aufbauend auf dynamisch-adaptiven Cross-Selling-Entwicklungspfaden je Kundentyp ist das Ziel die langfristige Gesamtertragsmaximierung und nicht das kurzfristige Geschäftsvolumen.
Zwei wichtige Aspekte dabei sind die Veränderung des Selbstverständnisses und der Fähigkeiten der Berater sowie der effektive Einsatz von Spezialisten. So kann die Expertise erfolgreicher Berater in bestimmten Themengebieten gezielt in einen Beratungsprozess für alle überführt werden, der für eine hohe Treffgenauigkeit um datengestützte Empfehlungen angereichert wird. Im Kontext eines Spezialisteneinsatzes 2.0 spielen Instrumente wie Videoberatung und kooperationsfördernde Anreizstrukturen eine entscheidende Rolle, um das Spezialisten-Knowhow möglichst breit in Wirkung zu bringen.
4. Optimierung des Preishebelmanagements
Die EBA-Guidelines fordern eine systematische Auseinandersetzung mit dem eigenen Pricing. So sind dem Wettbewerb und den Marktbedingungen Rechnung zu tragen und geeignete Governance-Strukturen einzurichten. Ebenso ist zwischen einer portfoliobasierten und einer individuellen Bepreisung nach Größentyp zu unterscheiden. Um dies erfolgreich umzusetzen und das Pricing auf ein neues Niveau zu heben, bietet sich ein vierstufiger Prozess an:
- Eigenes Marktumfeld verstehen, d.h. auch Diskrepanzen zwischen dem eigenen Aktivgeschäft und der Finanzierungsstruktur im Geschäftsgebiet entdecken.
- Kalkulation optimieren, d.h. Komponenten an die sich verändernden Bedingungen anpassen und entlang der 12-Felder-Methode Nachteile im Vergleich zum Wettbewerb aufdecken.
- Portfolio-Pricing für die Breite einsetzen, d.h. Preistreiber aus verschiedenen Perspektiven (u.a. Markt und Wettbewerb) prüfen und in eine smarte Auf- und Abschlagslogik überführen.
- Differenziertes Individualpricing: daher die individuelle Sondervorgabe entlang des Peer-Pricing-Ansatzes aussteuern. Letzterer bedeutet dabei, dass sich Kompetenzen in der Soko-Vergabe nicht an der Hierarchie, sondern am einzelnen Fall orientieren. Abgeleitet aus echten Abschlüssen der Top-Berater, ihrem extrahierten Pricing-Vorgehen sowie Best Practices entsteht für jedes Geschäft ein Rahmen, was ein „guter Abschluss“ wäre und was somit die „richtige Sonderkondition“ ist. Dieses Prinzip ist in der Industrie der Standard im Individualgeschäft und wird von immer mehr Banken aufgegriffen.
5. Effektive Nutzung von Opportunitäten im Passivgeschäft
Gerade bei Firmenkunden sind in den letzten Jahren oft „Stockfehler“ passiert, die Einlagenbewegungen in für die Bank unpassende Produkte und zum Teil Abschlüsse mit negativer Marge zur Folge hatten. Im aktuell sinkenden Zinsumfeld kommt dabei dem Umgang mit Fälligkeiten eine erhöhte Bedeutung zu, da Prolongationen systematisch zu niedrigeren Konditionen durchgeführt werden müssen.
Doch statt sich die Produkte und Preise „vom Kunden diktieren“ zu lassen, empfiehlt sich ein systematisches, an den Zahlungsbereitschaften orientiertes Prolongationsmanagement. Dazu gehören die Definition von „Zielprodukten“ und entsprechende Anreize in der Konditionsstruktur wie auch eine differenzierte Angebotsstruktur, die unterschiedliche Präferenzstrukturen bei den Kunden aufdeckt. Darüber hinaus empfiehlt sich ein ganzheitlicher Ansatz des Passivmanagements, der Zielvorgaben in eine konsistente Preis-Produkt-Struktur, eine zielgerichtete Marktbearbeitung und einen klaren Pricing-Prozess überführt. Im Individualgeschäft lässt sich auch hier das Peer-Pricing einsetzen.
6. Erfolgreiches Kundenkontaktmanagement und Vertriebssteuerung
Die Kundenzufriedenheit war im Schnitt bei Regionalbanken in den letzten Jahren rückläufig. Hintergrund ist eine zu wenig kundenorientierte Aufstellung im Vertrieb. Eine optimierte Aufstellung orientiert sich zentral an den Kundenbedürfnissen: Welcher Kunde schätzt welche Betreuungsart über welchen Vertriebskanal, und wie lässt sich dies mit einer potenzialbasierten Fokussierung kombinieren?
Somit werden idealtypische Kundenreisen entlang der Kundenbedürfnisse genutzt, um die Aufträge und Ziele der verschiedenen Vertriebseinheiten zu definieren. Dabei spielen dann die erfolgreiche Einführung einer Pool-Betreuung im gewerblichen Bereich (Gewerbekunden-Center), ein flexibler Spezialisten-Einsatz und eine Outbound-Poolbetreuung eine wichtige Rolle. Im Ergebnis steht so ein effektives Vertriebsvorgehen mit klaren Aufgaben, Kompetenzen und Ressourcen.
7. Freisetzung von Beraterkapazitäten
Die vertriebsaktive Zeit, die wirklich mit dem Kunden oder in der Vor- bzw. Nachbereitung verbracht wird, liegt bei vielen Häusern deutlich unter 50 Prozent, teilweise sogar nur bei 15 bis 25 Prozent. Somit gehen gewaltige Kapazitäten im Vertrieb verloren. Ursachen sind zumeist „Zeitfresser“ wie „nicht-wertschöpfende“ Tätigkeiten, Schnittstellenprobleme oder komplizierte Prozesse.
Ein wichtiger erster Schritt ist dabei die Zeitfressertransparenz sowie das Benchmarking mit effizienter aufgestellten Häusern. Die gezielte Zeitfresser-Eliminierung schafft Freiräume, den Vertrieb deutlich zu steigern (oft um 20 bis 40 Prozent). Optimierte Rollenprofile sowie die Etablierung einer „Zeitfresser-Eliminierungskultur“ stellen sicher, dass die gewonnene Zeit smart eingesetzt wird und erhalten bleibt.
8. Hybridisierung des Vertriebs
Wie bei den Betreuungspräferenzen unter Punkt sechs gilt auch bei den Kanälen das Credo „Was will der Kunde?!“. Gerade in den letzten Jahren zeigt der Trend klar in Richtung Digitalisierung. Der größte Hemmschuh auf dem Weg zum effektiven digitalen oder hybriden Vertrieb ist dabei nicht der Kunde, sondern der Berater, wie Studien oder Erfolgsbeispiele von Regionalbanken zeigen, bei denen über 60 Prozent des Vertriebs nicht mehr in den Filialen, sondern hybrid stattfinden.
Ein moderner Beratungsansatz spiegelt das Beratungs- und Serviceerlebnis in den digitalen Vertriebskanal und macht daraus eine Stärke. So profitieren nicht nur die Kunden von einer besser erreichbaren Betreuung, bei der sich Berater und Spezialisten effektiv die Bälle zuwerfen können, sondern auch der Vertrieb von den Möglichkeiten des modernen Arbeitsumfelds. Das Resultat sind höhere Kundenzufriedenheit und signifikant mehr Abschlüsse.
9. Verknüpfung des Privat- und Firmenkundengeschäfts
Nur 25 Prozent der Gelder bleiben im Erbfall bei der Bank des Erblassers. Gleichzeitig fehlen in Deutschland bis 2026 200.000 Unternehmensnachfolgen. Zudem wird die private Seite der Firmenkunden oft bei einer anderen Bank betreut. Das Firmenkundengeschäft ist somit eng mit den Schicksalen der Unternehmer und Unternehmerinnen verknüpft.
Umso wichtiger ist eine gezielte Churn-Prävention, die potenzielle Abflüsse frühzeitig antizipiert und gegensteuert. Der strategische Dreiklang aus Verzahnungs-, Erben- und Nachfolgestrategie zielt auf genau diesen Hebel, um das Gesamtpotenzial im Kundenlebenszyklus zu optimieren. Darüber hinaus kann das Firmenkundengeschäft auch genutzt werden, um gezielt die Mitarbeiter der Kunden zu gewinnen. So ermöglicht die Hybridisierung des Vertriebs in Kombination mit modularen Kontomodellen im Privatkundenbereich die Schaffung von Leistungen, die der Firmenkunde seinen Mitarbeitenden anbieten kann (z. B. Bank auf dem Firmengelände und Mitarbeiterkonten).
10. Nachhaltigkeit als Treiber regionaler Abgrenzung
Das Thema Nachhaltigkeit ist gekommen, um zu bleiben. Dabei haben kleinere Unternehmen oft mehr Mühe, die erforderlichen Fragebögen auszufüllen, als größere Firmen, die selbst entsprechenden regulatorischen Anforderungen unterliegen.
Ziel ist es, aus einer Notwendigkeit eine Chance zu machen und sich als Bank als Architekt zur Lösung eines globalen Problems zu positionieren, das regional gelöst werden muss. Neben einer Umsetzung im Kreditpricing (z. B. dynamisch orientiert an der nachhaltigen Entwicklung der Kunden) können auch Win-Win-Angebote über Green Bonds oder Nachhaltigkeit-as-a-Service geschaffen werden. Für eine umfassende strategische Positionierung und Abgrenzung zum Wettbewerb bietet sich die Schaffung eines lokalen Netzwerkes zur Unterstützung der Kunden in ihrem eigenen Nachhaltigkeitsmanagement an.
Worauf kommt es jetzt an?
Ein wichtiger erster Schritt ist die Klärung der Potenziale und Chancen im Firmenkundengeschäft. Ein Strategie-Audit im Firmenkundenbereich gibt Aufschluss über die kurz- wie langfristigen Opportunitäten. Die daraus resultierende strategische Agenda ist die Basis zum Heben der signifikanten Potenziale im siebenstelligen Bereich pro Mrd. Bilanzsumme. Gleichzeitig gilt es, einen systematischen Potenzial-Check zu etablieren, der regelmäßig den Firmenkundenbereich in die strategische Diskussion einbringt und so verhindert, dass dieser wichtige Ertragsbaustein unter dem Deckmantel der „individuellen Behandlung“ vergessen wird.