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Die deutsche Krankenhausreform 2025: Was sie für Medizintechnikunternehmen bedeutet

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* Das Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz in Deutschland ist offiziell Anfang 2025 in Kraft getreten. Wie die Reform in der Praxis umgesetzt wird, bleibt jedoch ungewiss. Dieser Artikel gibt eine Einschätzung des Informationsstandes von März 2025. Wir empfehlen, regelmäßig offizielle Quellen zu konsultieren, um über die neuesten Entwicklungen informiert zu bleiben.

Dieser Artikel ist Teil einer zweiteiligen Serie. Lesen Sie hier einen ausführlichen Blick auf die Reform und ihre Auswirkungen auf Krankenhäuser. Um zu erfahren, was diese Änderungen für Ihr Unternehmen bedeuten, sollten Sie den zweiten Artikel unserer Serie nicht verpassen. Mit dem Fachwissen unserer Simon-Kucher-Experten helfen wir Ihnen, die Veränderungen erfolgreich zu meistern – so bleiben Sie in Ihrer Branche stets an der Spitze. 
 

Hintergrund: Die Notwendigkeit einer Reform des Krankenhauswesens

Viele deutsche Krankenhäuser standen in den letzten Jahren vor wachsenden finanziellen und strukturellen Herausforderungen. Krankenhäuser, vor allem in ländlichen Gebieten, haben aufgrund geringer Patientenzahlen und begrenzter staatlicher Mittel für die Infrastruktur zunehmend mit ihrer finanziellen Stabilität zu kämpfen. Das derzeitige System der Fallpauschalen wurde dafür kritisiert, dass es sich zu sehr an bestimmten Fallzahlen orientiert, was im Laufe der Zeit Ungleichgewichte in der Verteilung der Gesundheitsversorgung verursacht hat. Gerade Ballungsräume in den Städten führten dazu, dass Krankenhäuser in ländlichen Gebieten zunehmend von Schließungen bedroht waren und dort Versorgungslücken entstanden. Großer Personalmangel und die hohe Arbeitsbelastung schufen weitere Herausforderungen. Der Bedarf nach einer Reform wurde immer offensichtlicher.

Um diesen Problemen zu begegnen, hat das deutsche Gesundheitsministerium unter der Leitung von Karl Lauterbach das Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) eingeführt, das am 1. Januar 2025 in Kraft getreten ist. Die Reform zielt darauf ab, die Qualität und Zugänglichkeit der Gesundheitsversorgung in ganz Deutschland zu verbessern, die langfristige Finanzierung der Krankenhäuser sicherzustellen und die Bürokratie abzubauen. Die endgültige Implementierung aller Änderungen wird bis Anfang 2029 erwartet, unterstützt durch einen 50-Milliarden-Euro-Transformationsfonds, der für die Umstrukturierung von Krankenhäusern, Infrastrukturinvestitionen und die digitale Transformation vorgesehen ist.
 

Überblick über die Ziele, die wichtigsten Änderungen und den geplanten Zeitplan der Reform


 

Drei wesentliche Änderungen durch die Krankenhausreform

Mit der Reform werden drei wichtige strukturelle Veränderungen für Krankenhäuser eingeführt:

  1. Neue Krankenhausklassifizierung und Qualitätskriterien
    (Definition von Leistungsgruppen)

    Deutsche Krankenhäuser werden in 65 Leistungsgruppen eingeteilt, die jeweils durch spezifische Qualitätskriterien definiert sind, was eine stärkere Spezialisierung und eine bessere Qualitätskontrolle gewährleistet1. Der Klassifizierungsprozess wird auf Länderebene gesteuert, wobei bundesweit einheitliche Qualitätskriterien definiert werden. Diese Qualitätskriterien sollten als Mindestanforderungen an die Ausstattung, das Personal sowie die strukturellen Voraussetzungen jedes Krankenhauses betrachtet werden. Das Ziel ist es, spezifische Angebote für jede Leistungsgruppe zu ermöglichen. Krankenhäuser können dabei mehreren Leistungsgruppen zugeordnet werden, sodass auch Einrichtungen mit mehreren Expertengebieten durch die Reform möglich sind. Um in einer Leistungsgruppe zu verbleiben, müssen die jeweiligen Qualitätskriterien und ein vorgeschriebenes Mindestvorhaltevolumen pro Jahr eingehalten werden.

    1 Die Parameter sind für jede einzelne Leistungsgruppe definiert und in der Anlage 1 des amtlichen KHVVG aufgeführt.ärversorgungszentren (PVZ)
     

  2. Neue Versorgungseinrichtungen
    (Einführung von sektorübergreifenden Versorgungseinrichtungen der Stufe 1i)

    Um die Lücke zwischen ambulanter und stationärer Versorgung, insbesondere in ländlichen Gebieten, zu schließen, wird nun eine neue Kategorie von Krankenhäusern (sektorübergreifende Level-1i-Versorger1) eingeführt. Diese Kategorie wird interdisziplinäre Leistungen bündeln. Dazu zählen ambulante Konsultationen und chirurgische Leistungen auf der Grundlage des AOP-Katalogs, stationäre Leistungen (beschränkt auf die Fachgebiete Innere Medizin und/oder Geriatrie) und Pflegeleistungen auf der Grundlage von Teilen des SGB V und XI.

    In der Übergangszeit erfolgt die Vergütung nach dem System der Krankenhäuser in Leistungsgruppen (siehe unten). Künftig gilt jedoch ein eigenes System, da die Finanzierung losgelöst vom DRG-System geplant ist. Dieses System wird eine degressive Tagespauschale sowie eine flexible Finanzierungskomponente umfassen. Die Tagessätze werden auf der Grundlage der einrichtungsspezifischen Kosten einschließlich aller Personal-, Sach-, Unterbringungs- und Infrastrukturkosten ermittelt und zwischen den Einrichtungen und den Krankenkassen ausgehandelt. Ambulante Leistungen werden auf Fallbasis und nach einem einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM-System) vergütet. Daher variiert die Zusammensetzung der Finanzierungsquellen je nach Einrichtung und Leistungsschwerpunkt. 

    1 Sektorenübergreifende Versorger sollen in erster Linie aus bestehenden Krankenhäusern hervorgehen. Auch bettenführende Primärversorgungszentren (PVZ), regionale Gesundheitszentren (RGZ), integrierte Gesundheitszentren oder andere ambulante Zentren können sich zu sektorübergreifenden Versorgungseinrichtungen entwickeln.
     

  3.  Geänderte Vergütungsstruktur für Krankenhäuser 
    (Einführung einer Vorhaltevergütung zur Schaffung eines hybriden Finanzierungsmodells)

    Das traditionelle DRG-System wird zu einem hybriden Finanzierungsmodell übergehen, bei dem eine feste Vorhaltevergütung neben den variablen aktuellen DRG-basierten Zahlungen eingeführt wird. Mit dieser Umstellung soll die Abhängigkeit des Krankenhauses vom Fallvolumen verringert werden. Jeder medizinische Behandlungsfall erhält entsprechend seiner DRG-Zuordnung eine Vorhaltevergütung, ohne dass sich die absolute Vergütung erhöht1. Nach der Vorhaltedefinition pro DRG erfolgt die Festlegung eines Vorhaltebudgets pro Bundesland und Leistungsgruppe.
    Den Krankenhäusern werden dann Anteile an diesem Budget entsprechend ihrer Leistungsgruppen und Fallzahlen zugewiesen2. Die Budgetanteile werden zunächst für zwei, dann für drei Jahre festgelegt.
    Mehreinnahmen aus zugewiesenen Leistungsgruppen werden rückwirkend vollständig ausgeglichen, ohne dass das Budget für geringere Einnahmen gekürzt wird. Um den Übergang zu erleichtern, haben die Krankenhäuser eine zweijährige Anpassungszeit, bevor das neue Finanzierungssystem vollständig umgesetzt wird. Die gesonderte Finanzierung der Pflege bleibt unverändert.

    1Jährlich (erstmals 2027) werden zusätzliche Mittel für koordinierende Aufgaben (125 Mio. Euro), Pädiatrie (288 Mio. Euro), Geburtshilfe (120 Mio. Euro), Stroke Unit (35 Mio. Euro), spezielle Traumatologie (65 Mio. Euro) und Intensivmedizin (30 Mio. Euro) bereitgestellt; die Finanzierung des Pflegebudgets bleibt unverändert.

    2 Während der Anlaufphase der Reform legen die Landesbehörden die geplanten Fallzahlen für jedes Krankenhaus auf der Grundlage von Mindestvorhaltemengen und regionalen Anforderungen fest, wobei sich die künftigen Zuweisungen an den tatsächlichen Fallzahlen orientieren.
     

Daraus resultierende Auswirkungen für Krankenhäuser

Insgesamt wird die deutsche Krankenhausreform das Gesundheitssystem durch die Einführung von Leistungsgruppen, eines neuen sektorenübergreifenden Versorgertyps (Level 1i) und eines aktualisierten Finanzierungssystems grundlegend umgestalten. Als Ergebnis dieser Änderungen werden Krankenhäuser spezialisierter und die Krankenhauslandschaft heterogener. Darüber hinaus wird durch strenge Qualitätskriterien die Leistungserbringung in deutschen Krankenhäusern standardisiert.
Die Reform fördert eine Verlagerung hin zur ambulanten Versorgung, indem sie die Zahl der stationären Fälle durch die Einführung sektorübergreifender Versorger und der Vorhaltevergütung reduziert. Darüber hinaus wird durch die Integration einer Vorhaltefinanzierung in das bestehende DRG-System die finanzielle Planbarkeit und damit die finanzielle Autonomie der Krankenhäuser erhöht.
 

Auswirkungen der neuen Gesundheitsstruktur

 

Die wichtigsten Erkenntnisse

Die Reform schafft …

  1. Größere finanzielle Autonomie der Krankenhäuser
    Eine feste Finanzierungskomponente verbessert die finanzielle Planbarkeit und Stabilität
  2. Wachsende Spezialisierung der Krankenhäuser & Heterogenität
    Leistungsgruppen & Qualitätskriterien drängen Krankenhäuser zur Spezialisierung
  3. Ambulante Verlagerung
    Die Vorhaltevergütung und die Einführung sektorübergreifender Einrichtungstypen (Stufe 1i) fördern die Verlagerung von Patienten in die ambulante Versorgung

Die Reform bringt tiefgreifende Veränderungen für deutsche Krankenhäuser mit sich, die die Art und Weise, wie sie arbeiten und ihre Leistungen erbringen, vollständig neu gestalten. Es ist wichtig, diese Veränderungen zu verstehen, aber um wettbewerbsfähig zu bleiben, braucht es mehr als nur ein Bewusstsein für die Auswirkungen der Reform. Medizintechnikunternehmen müssen Maßnahmen ergreifen, um ihre Angebote auf den neuen Bedarf der Krankenhäuser zuzuschneiden. 

In unserem zweiten Artikel gehen wir über den allgemeinen Überblick hinaus und befassen uns mit praktischen, von Experten unterstützten Empfehlungen für Medizintechnikunternehmen, damit diese sich an den schnell wandelnden Markt anpassen und wichtige Chancen ergreifen können. Lesen Sie ihn hier. 

 

Danke an Henrik Ekman für seinen wertvollen Beitrag!

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