Die Margen der Privatbanken und Vermögensverwalter stehen unter Druck, da Kunden zunehmend preisempfindlich reagieren. Wie können Unternehmen dieser Herausforderung begegnen? Erfahren Sie mehr darüber in fünf Lektionen zur nachhaltigen Margensteigerung, die von Best-Practice-Beispielen aus anderen Branchen inspiriert sind.
Der Private-Banking- und Wealth-Management-Sektor steht unter Margendruck: Das viel beschriebene Wachstum im Wertpapiergeschäft wird maßgeblich im beratungsfreien Geschäft erzeugt. Haupttreiber dieser Entwicklung sind Trading-Plattformen der Marke Do-it-Yourself (DIY), darunter etwa Flatex, Consorsbank und Co. Weiterhin hat die vor wenigen Jahren eingeführte Mifid-II-Richtlinie die Kostentransparenz deutlich vergrößert.
Schließlich steigen große Asset Manager wie beispielsweise Fidelity mit simplen und transparenten Angeboten wie dem Wealth Expert in den Direktvertrieb ein und buhlen damit um die Gunst der vermögenden Kundschaft. Um adäquat auf diese Schwierigkeiten zu reagieren, müssen Privatbanken und Vermögensverwalter das Rad jedoch nicht neu erfinden – sie können sich viel von anderen Branchen abschauen und von Best-Practice-Beispielen lernen.
Fünf goldene Regeln
Als Verbraucher treffen wir regelmäßig auf erfolgreiche Produktbündelungs- und Preisstrukturen. Best-in-Class-Unternehmen in einer Vielzahl von Branchen gestalten ihr Produkt- und Leistungsangebot so, dass sie die Zahlungsbereitschaft ihrer Kunden voll ausschöpfen. Hier sind fünf Lektionen für Privatbanken und Vermögensverwalter.
1. Unterschiedliche Kundengruppen nutzen unterschiedliche Leistungen
In Sachen Kundenorientierung können sich viele Banken ein Beispiel an Netflix nehmen: Der Streaming-Service erkennt und erfüllt individuelle Kundenbedürfnisse deutlich besser als das bankentypische Modell One-Size-Fits-All. Netflix hat erkannt, dass es den „Durchschnittskunden" nicht gibt, und sichert sich mit intelligenten Leistungsbündeln die Loyalität eines vielfältigen Kundenstamms.
Das Basis-Abo hat begrenzte Funktionen. Nutzer können es nur in niedriger Auflösung auf einem einzigen Bildschirm verwenden. Das Standard-Abo ermöglicht ein Streaming-Erlebnis auf zwei Bildschirmen in HD und im familienfreundlichen Premium-Abo schauen Kunden auf bis zu vier HD-Bildschirmen mit zusätzlichen Vorteilen. Auf diese Weise bietet Netflix für jedes Bedürfnis und jedes Budget das passende Angebot.
Für Kunden, die nicht mehr auf Premium angewiesen sind, dient das Standard-Abo als „interner Notausgang“, um Kunden mit hohem Abgangsrisiko abzufangen. Stellen Sie sich also einmal die Frage: Wie viele Ihrer Kunden werden in fünf Jahren noch Netflix abonnieren und wie viele werden noch bei Ihrer Bank sein?
2. Das Preismodell ist wichtiger als die Preishöhe
Ein gutes Beispiel dafür ist Michelin: Ursprünglich berechnete der französische Reifenhersteller den Kunden einen Festpreis pro Reifen. Dann erfand Michelin einen neuen Reifen, der eine 20 Prozent längere Lebensdauer als bisherige Produkte aufwies. Zuerst stand im Raum, für diesen Mehrwert etwa 5 bis 6 Prozent auf den Preis der aktuellen Produktserie aufzuschlagen. Doch weil die Reifeninnovation aufgrund der erhöhten Langlebigkeit des neuen Produkts weitaus seltener ersetzt werden musste, hätte dieses Preismodell desaströse Ertragsauswirkungen für den Reifenhersteller gehabt.
Aus diesem Grund beschloss das Unternehmen, anstatt eines simplen Preisaufschlags alternative Modelle der Monetarisierung zu erforschen: Heute verwendet Michelin ein Preis-pro-Kilometer-Modell, bekannt als „Michelin Fleet Solutions“, und ist so in der Lage, den Mehrwert seiner Reifen vollständig zu monetarisieren. Um eine saubere Pay-as-you-go-Berechnung der verbrauchten Kilometer sicherzustellen, sind die Lastwagen mit GPS-Technologie ausgestattet.
3. Verbraucher treffen irrationale Kaufentscheide
Stellen Sie sich vor, Sie sind bei einem Freund zum Essen eingeladen und müssen eine Flasche Wein mitbringen. Im Supermarkt haben Sie die Wahl zwischen drei verschiedenen Rotweinen: 15, 19 und 25 Euro. Sie sind mit den Marken und der Qualität nicht vertraut – welche Flasche wählen Sie?
Während ein Sommelier nach den verschiedenen Regionen, Traubenmischungen und mehr auswählt, entscheidet die Mehrheit der Deutschen sich für die vermeintlich „sichere mittlere Option“: Die Wahl der günstigsten Flasche könnte zu sparsam wirken, während man mit der teuersten Flasche aber auch kein Geld verschwenden will. Die Tendenz zur Mitte wird als Kompromisseffekt bezeichnet und ist nur ein Beispiel für die vielen „Behavioural-Pricing“-Methoden, die Unternehmen anwenden können, um von irrationalem Verbraucherverhalten zu profitieren.
4. Wie Sie Preise kommunizieren, ist von Bedeutung
Menschen beurteilen eine Stadt häufig nach dem wahrgenommenen Preisniveau – für Touristen ist der Bierpreis ein wichtiger Ankerpunkt. Vergleichen wir also das wahrgenommene Preisniveau von München mit dem von Köln: Ein Bier auf dem Münchner Oktoberfest kostete 2019 im Mittel etwa 11,30 Euro, während es im Kölner Karneval nur 2,50 Euro kostete.
Auf den ersten Blick scheint der Münchner Preis unverschämt zu sein, aber wenn das geschulte Barpersonal einen vollen Ein-Liter-Krug zum Tisch bringt, ist man angenehm überrascht. In Köln hingegen kostet ein Glas Bier nur 2,50 Euro. Sie müssen aber wahrscheinlich viel mehr Gläser trinken, um den gleichen „Genuss“ zu erreichen – denn ein Standard-Kölsch wird in einem 0,2-Liter-Glas serviert, und das Barpersonal wird so lange mehr bringen, bis Sie es mit Ihrem Bierdeckel bedecken.
Welche Stadt hat also das teuerste Bier? Intuitiv denken viele an München, aber das Bier in Köln kostet zur Karnevals-Zeit 12,50 Euro pro Liter – ein Aufschlag von 1,20 Euro gegenüber München. Wenn Sie jedoch eine kurze Umfrage unter Kölnern durchführen, werden diese Ihnen schwören, dass ihre Stadt das günstigste und beste Bier in ganz Deutschland hat.
5. Im Vertrieb treffen Preisstrategie und Kunde aufeinander
Stellen Sie sich vor, Sie bestellen eine Pizza bei Ihrem örtlichen Lieferdienst. Sowohl Sie als auch ein anderer Kunde haben eine große Hawaii-Pizza ohne zusätzlichen Belag bestellt, aber an der Theke stellen Sie fest, dass der Lieferdienst Ihnen 2 Euro mehr berechnet. Als Sie die Kassiererin nach dem Preisunterschied fragen, erklärt sie Ihnen, dass sie Leuten in Jeans immer 1 Euro mehr und Leuten mit grünen Schuhen immer 1 Euro weniger berechnet. Für Sie als Kunde macht das überhaupt keinen Sinn, und Sie überlegen, ob Sie in Zukunft nicht lieber einen neuen Laden ausprobieren. Im Bankwesen würde das bedeuten, dass Sie einem Ihrer Kunden 5 Euro und dem anderen 10 Euro pro Trade für eine identische Dienstleistung und einen identischen Transaktionsbetrag berechnen – ein unfairer Deal.
Fazit
Privatbanken und Vermögensverwalter gehen aktuell nur bedingt auf die Angebots- und Pricing-Bedürfnisse ihrer Kunden ein. Auch wenn sich das Dienstleistungsangebot und das Wertversprechen erheblich von Verbraucherunternehmen wie Netflix oder Reifenherstellern wie Michelin unterscheiden, so lassen sich doch wichtige Lehren aus der Preisgestaltung von führenden Unternehmen aus verschiedenen Branchen ziehen.
Da sich sowohl die regulatorische als auch die Investoren-Landschaft weiterentwickelt, werden Privatbanken und Vermögensverwalter unweigerlich gezwungen sein, ihr Angebot und ihre Preisstrategien innovativer zu gestalten. Das alles zahlt auf das übergeordnete Ziel der Finanzdienstleister ein, ihre Einnahmen zu steigern und für ihre Zielgruppe relevant zu bleiben.
Dieser Artikel wurde bereits in der Zeitschrift „private banking magazine“ veröffentlicht.