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Dynamic Pricing – Auswirkungen auf Händler und Hersteller

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Derzeit kündigen viele Händler die Einführung von Dynamic Pricing an, ohne zu wissen, was sich genau dahinter verbirgt. Unsere internationalen Experten beleuchten die Herausforderungen und Fallstricke für den Einzelhandel und Hersteller.

Dynamic Pricing für Händler

Mithilfe von Dynamic Pricing, also der dynamischen Preisgestaltung, können Händler ihre Preise auf Basis der Marktnachfrage flexibel anpassen. Für viele Händler ist diese Art des Pricing nichts Neues: Sie setzen schon seit langem Ihre Preise auf Basis von Wettbewerb und Lagerbestand und verändern die Preise, falls sich aufgrund der Wettbewerbspreise oder eines zu hohen bzw. zu niedrigen Lagerbestandes ein anderer Preis empfiehlt. Auch Rabatt-Preise werden in vielen Industrien schon immer dynamisch gesetzt.

Das Aufkommen reiner Online-Player – allen voran Amazon – stellt die traditionellen Händler nun allerdings vor neue Herausforderungen, da diese ihre Preise über Algorithmen nahezu in Echtzeit ändern können (und dies teilweise auch tun). Um wettbewerbsfähig zu bleiben, arbeiten große Handelsunternehmen aktuell an ihren Möglichkeiten einer schnelleren Preisanpassung. Dies ist mithilfe technologischer Entwicklungen auch möglich – allerdings bedeutet eine vorhandene technologische Lösung nicht automatisch, dass sie auch umgesetzt werden muss!

Dynamic Pricing hat gewisse Vorzüge:

  1. Automatisierung: Preisänderungen können automatisch durchgeführt werden, um auf Änderungen in der Marktumgebung (z.B. Wettbewerbspreise, Kundenverhalten, etc.) gezielt reagieren zu können
  2. Abschöpfung der Zahlungsbereitschaft: Preise können besser an tatsächliche Zahlungsbereitschaften der Kunden angepasst werden
  3. Bessere Effizienz: Da dynamisches Pricing immer auch eine technologische Lösung als Grundlage hat, kann die gleiche Anzahl an Mitarbeitern eine größere Zahl von Preisänderungen umsetzen

    Allerdings verbergen sich hinter der Einführung von Dynamic Pricing auch viele Fallstricke, die es zu beachten gilt:

  • Kunden- und Konsumentenwahrnehmung sowie -akzeptanz: Plötzliche und dramatische Preisänderungen können zu Misstrauen führen und die Kundenloyalität senken
  • Datenbereitstellung: Fehlende Datengenauigkeit, -verfügbarkeit und -vollständigkeit führen oft zu unterdurchschnittlicher Umsetzung von Dynamic Pricing
  • Produktabgleich: Daten können zwar von Preis-Crawlern gesammelt werden, führen aber zu neuen Herausforderungen im Matching der richtigen Produkte – insbesondere falls es verschiedene Produktvarianten gibt, aber auch bei der Unterscheidung zwischen Regulär- und Promotionspreisen
  • Black Box: Falls die Algorithmen innerhalb der eigenen Organisation nicht vollständig verstanden werden, können Vertriebler und Verkäufer die Gründe für Preisänderungen nicht sinnvoll benennen
  • Preiskriege: Eine hohe Gefahr für Preiskriege besteht insbesondere in Märkten und Produktkategorien mit relativ wenigen Anbietern (enge Oligopole), die gleiche oder sehr ähnliche Produkte mit starker Orientierung der Preise an Wettbewerbspreisen anbieten
  • Auswirkungen auf die Gesamtorganisation: Dynamic Pricing berührt viele verschiedene Ebenen des eigenen Unternehmens (z.B. bei gedruckten Preislisten, Marketingmaßnahmen, etc.), die auf Dynamic Pricing vorbereitet und angepasst werden müssen
  • Forecasting: Dynamic Pricing erschwert sowohl das Forecasting als auch das Budgeting, da sowohl die Preis- als auch die Absatz-Variable unsicher sind.

    Viele dieser Fallstricke sind besonders relevant für traditionelle Händler, die keine reinen Onlineanbieter sind, denn: die großen Player setzen ihre Preise auf nationaler Ebene und nicht regional oder lokal. Zudem ist fraglich, ob ein grobschlächtiges Dynamic Pricing positiv zur Inventarverwaltung beiträgt. Ebenso wirft ein ständiges Anpassen der Preise auch Fragen zum derzeitigen Marketingansatz der Händler auf. Die Einführung von einfachem Dynamic Pricing als Antwort auf das Auf und Ab von Nachfrage und Angebot in Verbindung mit digitalen Regalpreisschildern klingt zuerst einmal einfach. Ein Blick auf andere Branchen zeigt jedoch, dass die erste große Herausforderung darin besteht, zunächst eine grundlegende Strategie und detaillierte Regeln auszuarbeiten. Ansonsten bewirkt die Technologie nur eines, nämlich dass schlechte Entscheidungen schneller getroffen und auch umgesetzt werden!

    Zudem müssen Händler auch in anspruchsvolle Revenue Management Systeme investieren und diese an ihre Strategie anpassen, z.B. bei der Frage, ob Preisanpassungen nach Laden, Region oder anderen Parametern gestaltet werden sollen.  

    Die größte Herausforderung stellt allerdings die Kundenakzeptanz dar: Dynamic Pricing wird online zumeist akzeptiert – an der Ladentheke allerdings bisher weniger. Denn: in einem Modegeschäft kann der Verkaufsprozess schon mal 20 bis 30 Minuten in Anspruch nehmen. Wie würde ein Kunde auf eine Preisänderung zwischen Artikelauswahl und Bezahlung reagieren? Sollte Dynamic Pricing sonst nur im Online-Store angewendet werden? Dies würde wiederum bei Multichannel-Anbietern zu Preisunterschieden zwischen Off- und Online führen, was von Kunden oft als unfair bewertet wird. Erfahrungen aus anderen Industrien zeigen zwar, dass sich Ansichtsweisen von Kunden mit der Zeit ändern können und die Kundenakzeptanz daher mit zunehmender Erfahrung steigen kann. Allerdings stellt die Einführung von Dynamic Pricing jedes Unternehmen vor große Entscheidungen.

    Häufig wird Dynamic Pricing mit Verweisen auf die Beispiele von Reise- und Urlaubsveranstaltern oder Unternehmen wie Uber gerechtfertigt, bei denen Preiserhöhungen stattfinden, sobald an bestimmten Orten oder zu bestimmten Zeiten die Nachfrage das Angebot übersteigt. In stark umkämpften Branchen mit hoher Preistransparenz wie z.B. im Lebensmitteleinzelhandel oder in der Modebranche sind solche dynamischen Preiserhöhungen allerdings – allein schon aufgrund legaler Konsequenzen und fehlender Kundenakzeptanz – undenkbar und keinesfalls erfolgsversprechend. In dem oft zitierten Beispiel von Uber erhöht sich durch einen Preisanstieg nicht nur die abgeschöpfte Zahlungsbereitschaft der Kunden, sondern auch das Angebot an Taxifahrern in Stoßzeiten. Es ist derzeit noch nur schwer vorstellbar, entsprechende Synergien der Angebotssteuerung in der Beeinflussung der Zulieferkette traditioneller Händler zu sehen.

    Auswirkungen auf Hersteller

    Derzeit kündigen vor allem in den USA viele Händler an, Dynamic Pricing demnächst einführen zu wollen. Es ist jedoch noch nicht klar, was genau damit gemeint ist, also z.B. ob nur Preissenkungen oder auch Preiserhöhungen davon betroffen sein werden, oder wie die technische Umsetzung genau aussehen soll. Um aber mit dem Online-Wettbewerb mitzuhalten, haben viele Händler im ersten Schritt die Kosten für die Warenpräsentation im Laden an die Hersteller eben dieser Produkte weitergegeben (Best Buy war hier Trendsetter). Der zweite Trend war die Forderung vieler Händler an die Hersteller, „Showrooming“ und „Webrooming“ für den Kunden zu bezahlen und damit für etwaige Preisunterschiede gerade zu stehen.

    Aktuell verlangen viele Händler aufgrund der Einführung von Dynamic Pricing bessere Konditionen oder direkte Investitionen von den Herstellern. Allerdings ist die Grundlage für solche Forderungen sehr wackelig: Entweder können Händler erfolgreich Preise für ihre Kunden erhöhen, während Hersteller mit konstanten Netto-Preisen nicht an diesen Anstiegen teilhaben. Oder – und wahrscheinlicher – führt Dynamic Pricing zu einem zusätzlichen Preisdruck und verstärkt den Preisverfall, was wiederum die Gesamtmargen verringert und die Händler zu einer Margenausgleichsforderung an die Hersteller verleitet. Daher sollten Hersteller solchen Anfragen der Händler nicht entsprechen. Die Einführung elektronischer Preisschilder erhöht die Effizienz der Abläufe im Handel; warum der Hersteller dafür bezahlen soll, ist nicht ersichtlich.

    Wird allerdings in Zukunft Dynamic Pricing bei traditionellen Händlern Schritt für Schritt eingeführt, so werden die Hersteller gezwungen, ihre Commercial Policy anzupassen: Promotion-Pläne, Konditionenvereinbarungen und erwartete Handelsmargen müssen überarbeitet werden, was zu neuen Verhandlungsrunden in der gemeinsamen Geschäftsplanung führt. Hersteller müssen daher genauestens die Konsequenzen für ihre Produkte, Promotions und Preisarchitektur überdenken, um richtige Empfehlungen abzugeben. Dies ist besonders wichtig für Hersteller, die ihre Konsumenten auch direkt über physische Läden oder eigene Online-Stores beliefern.

    Unsere Einschätzung ist, dass die Einführung von Dynamic Pricing schrittweise und organisch erfolgen wird – mit automatisierten Mark-Downs, minimalen Preiserhöhungen, wenn nationale Bestände niedrig werden, etc. – und sich graduell beschleunigt. Schlussendlich liegt eine breitere Durchsetzung von Dynamic Pricing in der Handelsbranche noch in weiter Ferne – sofern sie denn überhaupt erfolgen wird. Dies wird nur dann der Fall sein, wenn Händler, Hersteller und Kunden bereit sind, eine solche Entwicklung zu akzeptieren.

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