Die EU-Kommission verbietet künftig Online-Brokern die „Payment for Order Flow“ (PFOF) Praxis – zusammen mit weiteren, ähnlich ausgerichteten Maßnahmen bedroht dies das Geschäftsmodell zahlreicher Anbieter erheblich. Als Ausgleich bieten sich kundenorientierte Zusatzgebühren an: Vier Bereiche, die besonders erfolgsversprechend sind:
Es ist offiziell: Die EU-Kommission verbietet die sogenannten „Payment for Order Flow“-Gebühren im Retail-Brokerage. In einem kürzlich veröffentlichten Entwurf zur Reform der Europäischen Finanzmarktverordnung (EU-Mifid/Mifir-Richtlinie 2014/65/EU) heißt es: „Investment firms acting on behalf of clients shall not receive any fee or commission or non-monetary benefits from any third party for forwarding client orders to such third party for their execution.” Sobald das in Kraft tritt, ist die „Payment for Order Flow“-Praxis, also Gebühren, die Online-Broker für die Weiterleitung von Kundenaufträgen an Dritte (bspw. Handelsplätze oder Börsen) von diesen Dritten erhalten, Geschichte.
„Payment for Order Flow“-Verbot nur der erste Schritt
Das Ertragsmodell der europäischen Online-Broker-Platzhirsche ist somit in Gefahr. Es stimmt zwar: Die genannte Rückvergütung macht in der Regel nur drei bis fünf Prozent der Gesamterträge von Brokern aus. Trotzdem ist der PFOF-Bann ein eindeutiger Fingerzeig auf eine bereits länger in der Branche befürchtete regulatorische Strategie, nämlich „versteckte“ Vergütungen im Wertpapierhandel künftig zu verhindern. Der nächste logische Schritt? Ein Verbot von Rückvergütungen von Produktemittenten (etwa für Zertifikate oder Hebelprodukte). Und das würde dann schon insgesamt 15 bis 20 Prozent der Erträge renommierter Online-Broker vernichten.
Experten erwarten erhebliche Ertragsverluste
Hinzu kommt der (seit der Einführung von MiFID II unter Beschuss geratene) Ertragsstrom der Bestandspflegeprovisionen von Fonds. Dieser macht je nach Plattform zwischen 20 und 30 Prozent der Gesamterträge von Brokern aus. Rechnen wir das alle zusammen, zeichnet sich ein düsteres Bild für die Zukunft – mittelfristig ist etwa die Hälfte der heutigen Ertragsströme der europäischen Online-Broker-Platzhirsche in Gefahr. Und die derzeit florierenden Low- und Zero-Cost-Broker müssen gleich ihr gesamtes Geschäftsmodell umstellen, da „Payment for Order Flow“-Erträge bei ihnen teilweise für über 25 Prozent ihrer Gesamteinnahmen verantwortlich sind.
Zusätzliche Gebühren für Kunden als Alternative
Daher ist es höchste Zeit, dass Online-Broker sowie die betroffenen Retail- und Regionalbanken ihre Ertragsmodelle dahingehend neu aufstellen. Wir empfehlen, fehlende PFOF-Einnahmen durch Service-Gebühren für Kunden auszugleichen. Welche Bereiche sind hier erfolgsversprechend? Vier Gebührenkomponenten, bei denen Kunden direkte bzw. visible Gebühren für die erbrachten hochwertigen Dienstleistungen zahlen, lohnen sich dabei besonders.
Wiederkehrende Gebührenkomponenten:
- Wiederkehrende Plattformgebühren bzw. Depotgebühren eignen sich durch ihre unmittelbare Natur besonders gut, um beispielsweise die Performance und Stabilität der Handelsplattform oder relevante Mehrwertdienstleistungen (wie Charting-Tools, Research, etc.) für bestimmte Zielgruppen zu monetarisieren.
Variable Gebührenkomponenten:
- Handelsplatzgebühren bzw. Abwicklungsgebühren können von Brokern und Banken als Steigerung der Handelsplatzgebühren oder bei der Einführung von „Abwicklungsgebühren“ gut genutzt werden, um den Ausfall der bisherigen PFOF-Rückvergütungen „an Ort und Stelle“ zu kompensieren.
- Für Plattformen mit besonders starkem Auslandshandelsgeschäft bieten sich außerdem Devisengebühren, also die Erhöhung der Aufschläge zum Tausch von Devisen, an. Diese würden dann zum Beispiel beim Kauf einer in Dollar denominierten Aktie aus einem in Euro laufenden Depot anfallen. Im internationalen Vergleich zahlen etwa deutsche oder österreichische Anleger hier deutlich weniger als schweizer; daher sehen wir hier Spielräume.
- Nicht zuletzt bleiben die in den vergangenen Jahren so unter die Räder gekommenen Transaktionsgebühren eine attraktive Option. Da viele Online-Broker bei ihren Wertpapierdienstleistern teils fixe, teils variable Kosten je Trade in Rechnung gestellt bekommen, kann diese Gebührenkomponente nicht langfristig bei (beinahe) null liegen. Zwar können Endkonsumenten dieser Dienstleistungen natürlich verlangen, dass auch am hinteren Ende der Wertschöpfungskette die Kosten sinken. Andererseits lässt sich trefflich argumentieren, dass der Mehrwert einer sicheren, schnellen und fehlerlosen Ausführung einen gerechten Preis wert ist.
Mittelfristig wird das visible Gebührenniveau für Endkunden in Europa steigen müssen, damit die renommierten Online-Broker die wegfallenden Gebühren kompensieren können. Für Low- und Zero-Cost-Broker wird eine Anpassung des Ertragsmodell sogar zwingend notwendig sein, um mittelfristig ein profitables Geschäftsmodell sicherzustellen. Die vorgeschlagenen Maßnahmenfelder ermöglichen genau dies, sofern jetzt schnell und effektiv gehandelt wird.